Die Erfolge von Donald Trump und der AfD erfordern eine strategische, resiliente und breite Antwort der demokratischen Zivilgesellschaft. Ein „Projekt 2029“ kann Vision, Plattform und Koordination dafür liefern – als Gegenentwurf zum „Project 2025“ der Heritage Foundation – ein Plädoyer, für mehr Wehrhaftigkeit und neue Allianzen unseres Vorstands Timo Reinfrank, Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung.
Die jüngsten politischen Erfolge rechtsextremer Bewegungen in Deutschland und den USA machen deutlich: Demokratie ist kein Selbstläufer. Mit dem Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2024 und der anschließenden Umsetzung des autoritär-nationalistischen „Project 2025“ der Heritage Foundation geraten demokratische Institutionen weltweit unter Druck. Das sogenannte Presidential Transition Project wurde von über 350 Autor*innen aus dem Umfeld libertärer und rechtsradikaler Thinktanks verfasst und zielt auf die vollständige Umgestaltung des US-Staatsapparats im Sinne des MAGA-Lagers.
Der Plan sieht vor, die Exekutive massiv zu stärken, als „illoyal“ geltende Regierungsangestellte durch Trump-treue Kader zu ersetzen und vermeintlich „kritische Institutionen“ wie Umweltbehörde, Justiz und Bildungsministerium gezielt zu schwächen. Seit Trumps Amtsantritt wurden viele Maßnahmen – nicht zuletzt dank Elon Musk – schneller als erwartet umgesetzt: Führungspositionen gingen an zentrale Figuren des Projekts – Klimawandel-Leugner*innen und christliche Nationalist*innen. Auch wenn rechtlich vieles noch angefochten wird, sind zahlreiche Behörden faktisch bereits arbeitsunfähig gemacht worden. Die Machtstrategie zielt auf totale Loyalität: Wer sich nicht unterwirft, wird öffentlich bloßgestellt, wirtschaftlich unter Druck gesetzt und aus dem politischen Raum gedrängt.
Die AfD und ihre völkischen Bestrebungen
Auch in Deutschland gewinnen völkisch-autoritäre Kräfte an Einfluss. Bei den Bundestagswahlen 2025 konnte die AfD ihren Stimmenanteil verdoppeln und zog als zweitstärkste Kraft in den Bundestag ein. Obwohl die Partei bislang keine ähnlich ausgearbeiteten Strategiepapiere wie die Heritage Foundation vorlegt, sprechen ihre Rhetorik, Framing und parlamentarische Praxis eine klare Sprache: Die Partei will das parlamentarische System delegitimieren und autoritär umbauen.
Die diffamierende Ausgrenzung politischer Gegner*innen als „Volksverräter“, die Verharmlosung der NS-Zeit sowie die Nähe zu verschwörungsideologischen Netzwerken sind keine Ausrutscher, sondern strategische Werkzeuge. Ziel der AfD ist nicht die Mitgestaltung, sondern die Ersetzung der Demokratie durch ein autoritäres Regime. Für die Rechtsextremen dient Russland dabei als ideologisches Vorbild eines autoritär geführten Nationalstaats, der „traditionelle Werte“ verteidigt, liberale Institutionen schwächt und als Gegengewicht zu westlicher Demokratie und transatlantischer Ordnung inszeniert wird. Rechtsextreme Akteur*innen aus Europa wie die Fratelli d’Italia oder der Rassemblement National, die auf bürgerliche Normalisierung und NATO-Treue setzen, verlieren im AfD-Milieu zunehmend an Attraktivität.
Projekt 2029: Eine zivilgesellschaftliche Antwort
Ein „Projekt 2029“ aus Perspektive der deutschen Zivilgesellschaft kann mehr sein als eine Reaktion – es ist ein notwendiger Schritt hin zu einer proaktiven demokratischen Erneuerung. Während autoritäre und rechtsextreme Kräfte gezielt an einem Staatsumbau arbeiten, braucht es auf Seiten der Demokratie langfristige Strategien, klare Leitbilder und gemeinsame Visionen.
Ein solches Projekt könnte die Vielfalt demokratischer Akteur*innen bündeln, eine positive Erzählung von Zusammenhalt stärken und Allianzen gegen autoritäre Entwicklungen fördern. Entscheidend ist, dass ein „Projekt 2029“ nicht nur als Abwehrstrategie gedacht wird, sondern als konstruktiver Entwurf für ein pragmatisches und widerstandsfähiges Gemeinwesen – getragen von einer breiten zivilgesellschaftlichen und parteipolitischen Allianz, um gemeinsam demokratische Antworten auf die drängendsten Probleme vor Ort zu finden.
Demokratische Resilienz gegen autoritäre Verschiebungen
Deutschland erlebt seit Jahren eine rechtsautoritäre Verschiebung des politischen Diskurses: Begriffe wie „Remigration“, die einst klar rechtsextrem konnotiert waren, werden heute öffentlich als migrationspolitische Position diskutiert, Schutzmaßnahmen für Minderheiten gelten in rechtsextremen Narrativen als „Umerziehung“, Medien und Justiz werden systematisch delegitimiert.
Diese Entwicklung untergräbt das Vertrauen in demokratische Institutionen und treibt die gesellschaftliche Polarisierung voran. Die Antwort darauf muss eine systematische Stärkung demokratischer Resilienz sein – durch politische Bildung, durch tragfähige demokratische Infrastruktur, durch Schutzräume für Engagierte und durch eine klare Rückendeckung aus Politik und Gesellschaft.
Resilienz bedeutet aber auch: die Verwaltung zu stärken, ihre Unabhängigkeit zu sichern und sie konsequent an Recht und Grundgesetz zu binden. Es braucht Reformen, die zentrale demokratische Institutionen – etwa Verfassungsgerichte, Wahlaufsicht oder Polizei- und Verwaltungsspitzen – aus dem parteipolitischen Tageskampf heraushalten und sie stattdessen an überparteiliche Normen und rechtsstaatliche Mindeststandards binden. Denn nur, wenn das Fundament stabil bleibt, kann die Demokratie auch in Krisen bestehen.
Demokratie modernisieren – neue Bündnisse schaffen
Ein Projekt 2029 darf sich nicht mit Verteidigung zufriedengeben – es muss Räume für demokratische Erneuerung eröffnen. Demokratie muss nahbarer, beteiligungsorientierter und zukunftsfähiger werden. Wie können neue Mitwirkungsformate, digitale Werkzeuge und kreative politische Bildung demokratische Räume öffnen? Wie lassen sich strukturell vernachlässigte Gruppen und Räume – junge Menschen, migrantische Communitys, ländliche Regionen – langfristig einbinden und stärken?
Zentral ist dabei die Frage, wer strategisch vermittelt: Zwischen NGOs, Wissenschaft, Kommunalpolitik, Medien und Parteien braucht es neue Knotenpunkte, mutige Brückenbauer*innen und koordinierte Allianzen. Demokratie ist nicht nur ein Regelwerk – sie muss ein gesellschaftliches Versprechen sein: auf Zugehörigkeit, Sicherheit und Mitgestaltung. Das erfordert klare Sprache – und verbindendes Handeln.
Demokratische Erneuerung braucht die gesellschaftliche Mitte
Ein Projekt 2029 wird nur dann erfolgreich sein, wenn es über die klassischen zivilgesellschaftlichen Milieus hinausreicht. Auch konservative, bürgerliche und liberale Stimmen müssen aktiv einbezogen werden. Viele Menschen aus diesen Spektren teilen Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit, Verantwortung, Gemeinsinn und Anstand – und lehnen die Radikalisierung durch rechtsextreme Akteur*innen entschieden ab.
Damit diese Gruppen sich beteiligen, braucht es Formate, die nicht moralisieren, sondern zuhören. Es braucht Räume der Verständigung, Institutionen des Vertrauens und Strategien, die Polarisierung vermeiden, ohne an Klarheit zu verlieren. Demokratie verteidigt man nicht nur gegen ihre Feind*innen – sondern gemeinsam mit denen, die sie manchmal still, aber entschlossen tragen.
Strategisch. Realistisch. Widerständig.
Autoritäre Projekte gewinnen nicht allein durch Stärke – sondern durch strategische Leerstelle auf Seiten der Demokrat*innen. Ein „Projekt 2029“ kann genau diese Lücke füllen: als Plattform für gemeinsame Ziele, als Ort für neue Allianzen, als Motor für gesellschaftliche Resilienz.
Es ist Zeit, die Verteidigung der Demokratie nicht nur als Pflicht, sondern als gemeinsame Zukunftsaufgabe der Demokrat*innen zu begreifen.