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Rechtsextreme Netzwerke in Falkensee – care4democracy hält dagegen

An diesem Kindergarten hat care4democracy gemeinsam mit den Kindern ein gegen die Vielfalt gerichtetes Graffito übermalt, damit es an der Stelle nicht zu neuen Schmierereien kommt. Foto: care4democracy

In Falkensee, einer Stadt im Brandenburgischen Havellandkreis, setzt sich der Verein care4democracy e.V. seit rund einem Jahr gegen rechtsextreme und demokratiefeindliche Bestrebungen vor Ort ein. So fand im Januar 2025 eine Diskussionsveranstaltung über das Für und Wider von Parteiverboten und die Frage nach der Notwendigkeit eines AfD-Verbotsverfahrens statt. Am Rande der Veranstaltung kamen wir mit den Vereinsmitgliedern über ihr Engagement ins Gespräch.

Von Luisa Gerdsmeyer

In den letzten Jahren entstand in der rund 45.000 Einwohner*innen-Stadt Falkensee eine gut vernetzte und zunehmend einflussreiche rechtsextreme Szene. Aus Sorge um diese Entwicklung schlossen sich sieben Engagierte aus Falkensee zusammen und gründeten den Verein care4democracy, der seitdem mit Recherchen, Aufklärungsarbeit und Vernetzung demokratiestärkender Akteur*innen in Falkensee aktiv ist. „Die verschwörungsideologischen Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie waren für mich der Punkt, an dem ich mich entschied, aktiv zu werden und mich gegen rechtsextreme und demokratiefeindliche Bestrebungen hier in Falkensee zu engagieren“, erzählt Silvia. Die sogenannten „Montagsdemonstrationen“ finden bis heute regelmäßig im Ort statt. In den Hochzeiten gingen bis zu 600 Personen auf die Straße, teilweise mit Unterstützung bundesweit bekannter Szenegrößen der Neuen Rechten. „Ein weiterer Initialpunkt war für mich die rassistische Hetze, die in Falkensee verbreitet wurde, als eine neue Unterkunft für Geflüchtete gebaut wurde“, so Vereinsmitglied Lars. „Ich wurde zu einer Informationsveranstaltung für die Nachbarschaft eingeladen und war schockiert, wie viel Hass dort geäußert wurde. Das war für mich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“ Kennengelernt haben sich die Aktiven des Vereins bei Aktionen des „Bündnis gegen Rechts Falkensee“, mit dem sie nach wie vor eng zusammenarbeiten. „Unser Ziel mit der Vereinsgründung war es, nicht nur auf rechte Aktionen und Provokationen zu reagieren, sondern uns stärker auch mit Aufklärung und Bildungsformaten gegen Rechtsextremismus zu engagieren“, erklärt Jens.

Schulterschluss der Rechtsextremen in Falkensee

Ein wichtiger Teil der Arbeit von care4democracy ist die Recherche über Aktivitäten und Netzwerke der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene in Falkensee. Mit dem rechtsextremen Compact-Magazin und der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Brandenburg haben hier zwei Organisationen ihren Sitz, die auch überregional für die rechtsextreme Szene in Brandenburg und ganz Deutschland von zentraler Bedeutung sind. „Den offenen Schulterschluss der örtlichen AfD in Falkensee mit dem rechtsextremen Compact-Magazin und seinem Chefredakteur Jürgen Elsässer konnten wir hier mit eigenen Augen am Abend des 16. Juli 2024 sehen“, erzählt Silvia. Nachdem am Morgen die Polizei den Verlagssitz und die Wohnräume von Jürgen Elsässer in Falkensee durchsucht hatte, riefen Unterstützer*innen noch am selben Tag zu einer Solidaritätskundgebung mit Elsässer in Falkensee auf. Mit dabei waren auch Mitglieder der örtlichen AfD.

Verschwörungsideologien in Falkensee keine Bühne bieten

Auch die Partei „Die Basis“, die aus der verschwörungsideologischen Querdenken-Bewegung heraus entstanden ist, ist in Falkensee aktiv und treibt die Vernetzung ins rechtsesoterische Milieu voran. „In Falkensee finden immer wieder Veranstaltungen statt, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen, bei denen aber bei näherem Hinsehen deutlich wird, dass demokratiefeindliche Einstellungen und Verschwörungsideologien verbreitet werden“, berichtet Tom. Ein Beispiel sei das „Symposium Falkensee“, das von einer Brandenburger Unternehmerin unter dem Namen „MenschheitsFamilie“ veranstaltet wird. „Wir wollen darüber aufklären, dass hier gefährliche Verschwörungsideologien verbreitet werden“, erklärt Tom. So finden sich auf der Website der „MenschheitsFamilie“ etwa Ausführungen einer Teilnehmerin des Symposiums über vermeintliche Chemtrails als eigentliche Ursache der Erderwärmung und haltlose Skandalisierungen der Corona-Impfkampagne als „größtes Verbrechen in der Geschichte der Pharmamafia“. „In der Stadthalle Falkensee wurde diesen Verschwörungsideolog*innen mehrmals jährlich eine zentrale Bühne in unserer Stadt geboten. Wir halten das für verharmlosend und demokratiegefährdend“, kritisiert Tom.

Vielfältige Positionen mit gemeinsamem Ziel: Einsatz gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit

Über ihre Recherchen zu Netzwerken lokaler und regionaler rechtsextremer und verschwörungsideologischer Akteur*innen informieren die Engagierten bei ihren Veranstaltungen. „Die Resonanz ist extrem groß, wir bekommen die Räume regelmäßig voll und Leute aus einem breiten demokratischen politischen Spektrum kommen, um mitzudiskutieren“, erzählt Jens. „Dieses Spektrum unterschiedlicher demokratischer Positionen spiegelt sich auch innerhalb unseres Vereins wieder. Wir führen häufig auch Diskussionen untereinander. Wobei wir ganz klar einer Meinung sind, ist, dass wir entschieden gegen rechtsextreme, diskriminierende und menschenfeindliche Positionen einstehen und die Stadtgesellschaft dafür sensibilisieren wollen.“ In der Vergangenheit hat die AfD immer wieder versucht, auch vor Schulen Einfluss zu nehmen, indem Flyer verteilt und Schüler*innen angesprochen wurden. „Vor den Europawahlen im letzten Jahr kamen mehrere Eltern auf uns zu, die schockiert waren, dass ihre Kinder planten, die AfD zu wählen“, erzählt Jens. Die Versuche rechtsextremer Einflussnahme an den Schulen nahm care4democracy zum Anlass, auch hier mit ihrer Aufklärungsarbeit präsent zu sein.

Wie wehrhaft muss die Demokratie sein? – Diskussion zu einem AfD-Verbotsverfahren

Im Rahmen der von der Amadeu Antonio Stiftung geförderten Veranstaltung „Wie wehrhaft soll/muss Demokratie sein?“ wurde in die Aula einer örtlichen Schule eingeladen, um das Für und Wider von Parteiverboten und eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens zu diskutieren. Viele der rund 230 Teilnehmenden waren Schüler*innen der Oberstufe. Referent Michael Kraske verdeutlichte, welche akute Gefahr das Erstarken der AfD für Demokratie und Menschenrechte in Deutschland darstellt. Er wies anhand aussagekräftiger Beispiele nach, dass die Partei rassistische und antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet, systematisch die Menschenwürde bestimmter Personengruppen angreift und Verbindungen zu Neonazis, Reichsbürgern und rechtsterroristischen Netzwerken hat. Ein zentrales Instrument zur Verteidigung der Demokratie sei die Möglichkeit eines Parteiverbots, die im Grundgesetz festgeschrieben ist und nicht ungenutzt bleiben dürfe, so Kraske. Nach dem Vortrag hatte das Publikum die Möglichkeit, mit dem Referenten und drei Wahlkreiskandidat*innen für die bevorstehende Bundestagswahl zu diskutieren. Der Abend war für die Engagierten von care4democracy ein großer Erfolg. „Besonders haben wir uns darüber gefreut, dass so viele junge Menschen gekommen sind und eine angeregte Diskussion entstanden ist“, so Tanja.

Aktuell planen die Aktiven von care4democracy bereits neue Veranstaltungsformate, beobachten weiter die Aktivitäten der extrem rechten Szene vor Ort und machen deutlich, dass die demokratischen Kräfte zusammenhalten und gemeinsam gegen rechtsextreme Normalisierung und rassistische Hetze aufstehen müssen.

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