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Erinnern heißt verändern: Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt schaffen bundesweite Erinnerungsplattform

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Wie gedenken wir rechter Gewalt in Deutschland? Orte wie Hanau, Halle, München, Dortmund, Solingen oder Nürnberg stehen für brutale rechtsextreme, rassistische und antisemitische Anschläge. Sie sind aber auch Orte des Widerstands, des Gedenkens – getragen von Überlebenden und Angehörigen der Opfer rechter Gewalt, die über Jahre hinweg gegen das Vergessen gekämpft haben. Die Amadeu Antonio Stiftung schafft mit „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ (SVEB) nun gemeinsam mit den Betroffeneninitiativen einen öffentlichen Raum, in dem ihre Arbeit sichtbar gemacht wird – ihre Erinnerung, ihre Geschichten, ihr politisches Gedenken und die gegenseitige Unterstützung.

Mehr als 219 Todesopfer seit Wiedervereinigung zählt die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Chronik Todesopfer rechter Gewalt, aber nur 92 Menschen wird bislang offiziell durch Stadt, Gemeinde oder Bundesland gedacht. Ohne zivilgesellschaftliches Erinnern würde an mehr als 150 Personen in keinerlei öffentlicher Form erinnert. Vor allem Überlebende und Angehörige kämpfen seit Jahren gegen das Vergessen. Doch ihre Stimmen wurden zu lang überhört, ihre Perspektiven aus der deutschen Erinnerungskultur ausgeschlossen und ihr Einsatz nicht anerkannt. Mit der neuen partizipativ entwickelten Erinnerungsplattform https://selbstbestimmt-erinnern.de/ändert sich das. „Ohne die Perspektiven von uns Betroffenen bleibt jede Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus unvollständig, die Plattform sorgt dafür, dass wir endlich im Mittelpunkt stehen.” erklärt Gamze Kubaşik, Tochter des vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık.

Erinnerung – von Betroffenen selbstbestimmt gestaltet

Das Portal ist einzigartig in Deutschland. Es bietet einen umfassenden Überblick über Biografien der Opfer, vielfältige Formen des Gedenkens und die Geschichte rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt – aus der Perspektive der Betroffenen selbst. Nicht die Gewalt und die Täter stehen im Mittelpunkt, sondern die Geschichten der Betroffenen, ihre Bemühungen um Aufklärung und ihre Arbeit gegen Rassismus und Antisemitismus. „Als Solidaritätsnetzwerk machen wir sichtbar, was rechte, rassistische und antisemitische Gewalt anrichtet. Wir halten gemeinsam die Erinnerung wach und kämpfen dadurch für Aufarbeitung und Gerechtigkeit. Aufklärung und Gedenken sind Widerstand – gegen das Vergessen, gegen Verharmlosung und gegen den Rechtsruck“, erklärt Newroz Duman, Initiative 19. Februar Hanau.

Die Plattform und das Projekt “Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden” wurde durch die Impulse von Überlebenden und Angehörigen entwickelt – aus mehr als 11 Initiativen, die sich bislang im Rahmen des SVEB-Projekts bundesweit gegenseitig stärken und ihre Forderungen sichtbar machen – parteiisch aus Perspektive der Betroffenen. „Erinnern heißt verändern – auch digital. Die Plattform dokumentiert die vielstimmigen Formen des Erinnerns. Zugleich macht sie sichtbar, wie sehr der Kontinuität rechter Gewalt im öffentlichen Bewusstsein Leerstellen und Ignoranz gegenüberstehen. Für Anerkennung, für Aufklärung und für ein Ende rechter Gewalt braucht es ein selbstbestimmtes Erinnern.“ erklärt Anna Warda, Projektleitung SVEB bei der Amadeu Antonio Stiftung.

Rechte Gewalt ist keine Vergangenheit – sie ist trauriger Alltag, das zeigen nicht nur die politisch motivierten Straftaten, bei denen auch in diesem Jahr ein neuer Höchststand zu erwarten ist. Bereits seit den 1990ern vernetzen sich Betroffene und ihre lauten Forderungen führten nicht zuletzt auch zur Unterstützung durch die Beauftragte für Antirassismus und finanziellen Förderung des Modellprojektes.

Erstmals gibt es nun mit selbstbestimmt-erinnern.de eine Plattform, die nicht nur Materialien, wie Leitfäden, Förderinformationen und Unterstützungsangebote für die zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit anbietet, sondern auch einen umfassenden Überblick über die teilweise hart erkämpften Formen des selbstbestimmten Erinnerns gibt. Auf der Seite wird ablesbar, wie viele Initiativen es gibt und wie sie sich als Netzwerk organisiert haben. Dies schafft auch einen Mehrwert für die politische Bildungsarbeit und Forschung. Die Plattform ist interaktiv, mehrsprachig und wird kontinuierlich erweitert. Alle Inhalte werden ausschließlich in enger Abstimmung mit oder direkt von Betroffenen und ihren Unterstützer*innen veröffentlicht. Die Plattform richtet sich an Medien, Forschung, Aktivist*innen und eine breite Öffentlichkeit, die sich mit Gedenken und Aufarbeitung rechter Gewalt auseinandersetzt.

Mehr Informationen finden Sie unter: https://selbstbestimmt-erinnern.de/

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