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Antisemitismusbekämpfung wird selbst zur Zielscheibe: Die Aktionswochen gegen Antisemitismus werden dieses Jahr besonders angegriffen

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Mit der deutschlandweiten Plakatkampagne “Terror gegen Juden” wollen die Aktionswochen gegen Antisemitismus auf die lange Kontinuität antisemitischen Terrors aufmerksam machen, der seit dem 7. Oktober 2023 wieder im öffentlichen Raum omnipräsent ist. Die Kampagne hängt in mehr als 80 Städten deutschlandweit, mehr als 3.000 Plakate intervenieren im Stadtbild. Die traurige Bilanz: abgerissene Plakate, Schmierereien, Beleidigungen und Veranstaltungen unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen.

Die sich zuspitzende Entsolidarisierung und die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas werden im Zeitraum der Aktionswochen gegen Antisemitismus noch einmal besonders deutlich: Veranstaltungen können meist nur noch unter erhöhten Sicherheitsbedingungen stattfinden, Plakate werden mit antisemitischen Parolen beschmiert oder zerstört. In Berlin wurden zwei jeweils zehn Meter lange Plakate heruntergerissen. Zurück blieb nur ein rotes “Hamas-Dreieck” an der Stelle, die an das Massaker auf dem Super Nova Festival in Israel erinnert. Selbst die Erinnerung an das Olympia-Attentat 1972 in München wurde mit einem roten Dreieck und einem antisemitischen Satz verunmöglicht. Die Gefahr für Organisationen und Initiativen, die gegen Antisemitismus arbeiten, wird spürbar größer. Für Betroffene ist die Situation noch dramatischer – kaum verlässt man das Haus, wird man mit Antisemitismus und Terrorverherrlichung konfrontiert.  Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus Dr. Felix Klein drückt es deutlich aus: „Es ist nicht hinnehmbar, dass junge Menschen, die sich gegen Hass und Gewalt einsetzen, selbst damit bedroht werden. Antisemitische Hetze ist schon seit Jahrzehnten ein wachsendes Problem. Seit dem 7. Oktober 2023 haben sich judenfeindliche Narrative in der öffentlichen Debatte und antisemitische Gewalt jedoch auf einem zuvor nicht vorstellbaren Niveau verstetigt. Es darf nicht sein, dass Engagement für unser Zusammenleben, für jüdisches Leben und für demokratische Werte nur noch unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen möglich ist. Wir müssen diesen Zustand als Gesellschaft aktiv bekämpfen und verändern.“

Aber nicht nur israelbezogener Antisemitismus grassiert: Plakate, die lediglich an die Opfer antisemitischen Terrors erinnern und die Schicksale von Frida Poescke, Shlomo Lewin, Blanka Zmigrod und vielen anderen beschreiben, werden zerstört oder beschmiert. Plakate, die an antisemitische Anschläge in Halle, Frankfurt am Main, in München, Pittsburgh, Wien und andernorts erinnern, werden ruiniert, zerrissen und beschmiert. Die Symbolkraft dieser Anfeindungen muss man deutlich bewusstmachen, denn hier zeigt sich offenkundig ein Angriff auf die Erinnerung. Tahera Ameer, Vorständin der Amadeu Antonio Stiftung, unterstreicht: „Antisemitismus muss als das wahrgenommen werden, was es ist: eine Vernichtungsideologie, die umgesetzt wird. Immer wieder. Es ist beschämend, dass Juden und Jüdinnen und ihre Allies in Deutschland darum betteln müssen, dass diese Perspektive nach dem 7. Oktober anerkannt wird.”

Klar wird: Der Hass greift weiter um sich. Die Angriffe auf die Aktionswochen sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Für Jüdinnen und Juden ist die Lage seit dem 7. Oktober 2023 katastrophal, die Gefahren für Jüdinnen und Juden, für jüdisches Leben wurden keinesfalls verringert oder präzise bekämpft. Im Gegenteil: Die Gefahr wird bagatellisiert, während sie zunimmt. Gerade im öffentlichen Raum sind antisemitische Bedrohungen omnipräsent und vermitteln Jüdinnen und Juden: Ihr dürft euch hier nicht sicher fühlen. Denn Terror endet nicht mit dem Vollzug einer Tat, sondern ist auch immer eine Kommunikationsstrategie. Jüdisches Leben findet daher weitgehend unsichtbar statt, weil sich viele nicht mehr mit sichtbaren Zeichen und Symbolen auf die Straße trauen. Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrat der Juden, betont: „Es ist äußerst bedrückend, wie weit wir in Deutschland gekommen sind: Wer zu Veranstaltungen gegen Antisemitismus aufruft, wird Ziel von juden- und israelfeindlichem Vandalismus sowie Terrorverherrlichung. Dieses Klima der Bedrohung schnürt Jüdinnen und Juden die Luft ab. Wer noch eine Begründung für die hohe Relevanz der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus brauchte, der hat sie nun erhalten. Ich danke allen, die sich hier engagieren, auch unter den nun erschwerten Sicherheitsbedingungen.“

Für Interviews und Hintergrundgespräche steht das Team der Aktionswochen gegen Antisemitismus zur Verfügung. Fotos der beschädigten Plakate können auf Nachfrage versendet werden.

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