Störstrategien in der Kommentarspalte begegnen: Täter-Opfer-Umkehr/Opferinszenierung

Störstrategien in der Kommentarspalte begegnen: Täter-Opfer-Umkehr/ Opferinszenierung
Wer klare Kante gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder Menschenfeindlichkeit zeigt, wird immer wieder als „undemokratisch“ oder „(links)extremistisch“ dargestellt: „...ihr seid doch die eigentlichen Nazis!” Dieses Narrativ geht oft mit der eigenen Opferinszenierung einher: „Man darf ja gar nichts mehr sagen”. Insbesondere Kämpfer*innen für eine vermeintlich „echte Meinungsfreiheit” fordern, dass alles sagbar sein soll, und wollen sich damit als „wahre Demokrat*innen” inszenieren. Dieser rhetorische Trick will vor allem eins: verunsichern – und Abwertungen salonfähig machen. Zeige, dass es sich um eine Strategie handelt und gib Gegenargumente an die Hand.
Gegenposition beziehen und Aussagen zurückweisen. Wenn abwertende Aussagen gelöscht oder ihnen widersprochen wird, inszenieren sich Störende oft als Opfer von „Zensur” oder „Cancel Culture”. Weise den Vorwurf zurück und erkläre, dass es in einer demokratischen Diskussion Regeln gibt, an die sich alle halten müssen.
„Konstruktive Kritik ist bei uns immer willkommen, rassistische Parolen allerdings nicht. Die gelöschten Kommentare sind diskriminierend gegenüber anderen Menschen und verhindern so, dass sich alle an einem respektvollen Austausch beteiligen können. Mehr dazu finden Sie in unserer Netiquette.”
Auf universelle gesellschaftliche Werte verweisen. Erkläre, wofür deine Seite steht.
„Meinungsfreiheit ist elementar. Das bedeutet aber nicht, dass alles ohne Widerspruch gesagt und geschrieben werden kann. Wer Menschenrechte und die Gleichwertigkeit aller Menschen nicht akzeptiert, wer deshalb Gruppen von Menschen ausgrenzt, niedermacht, oder angreift, wer kein sinnvolles Gespräch sucht und nur Hetze verbreiten will, schließt sich selbst aus.”
Benenne, was dich stört. Im Insta-Livestream behaupten mehrere Accounts, in den Medien würde nie über Thema XY berichtet und rechtsextreme Parteien seien die einzigen, die sich überhaupt trauen würden, etwas zu sagen? Rechtsextreme Akteur*innen inszenieren sich häufig als Opfer von Zensur durch Politik und Medien.
„Medien zu kritisieren ist wichtig, aber es gibt diese Tabus nicht, die du unterstellst. Berichterstattung in Deutschland folgt journalistischen Kriterien. Sorgfältig zu recherchieren, nur nachprüfbare Fakten zu veröffentlichen und die Öffentlichkeit zu informieren, gehört dazu. Es gibt zudem viele verschiedene Medien, die viele unterschiedliche Meinungen abbilden.”
Entlarve Dramatisierungen inhaltlich. Häufig gehen Opferinszenierungen mit der Überhöhung von Einzelbeispielen oder sogar Falschbehauptungen einher. Zum Beispiel, wenn unter einem aktuellen Artikel zu Frauenhäusern behauptet wird, Gewalt gegen Männer sei eigentlich das viel größere Problem.
„Opfer von partnerschaftlicher Gewalt sind zu über 80 Prozent weiblich und zu unter 20 Prozent männlich. Das bedeutet natürlich nicht, dass die betroffenen Männer links liegen gelassen werden dürfen. Es gibt bereits Initiativen und Projekte, die sich für diese Gewaltbetroffenen einsetzen und die Strukturen hinter den Gewaltformen untersuchen. Hier scheint es aber nicht wirklich um Betroffenenschutz, sondern um Polarisierung und die letztendliche Abschaffung von Schutzprogrammen für Frauen zu gehen.”Weiterlesen: Antifeministische Behauptungen erkennen und widerlegen
Zeige persönliche und gesellschaftliche Konsequenzen einer Aussage auf. Eine extreme Form der Opferinszenierung ist der Vergleich der eigenen Situation mit den Verbrechen des Nationalsozialismus. Solche Vergleiche solltest du entschieden zurückweisen und auf die Konsequenzen hinweisen.
„Wer sich nicht an gesellschaftlich ausgehandelte Regeln halten möchte, ist nicht in der gleichen Situation wie Jüdinnen*Juden im Nationalsozialismus. Dieser Stern markierte sie, um sie ihrer Menschenrechte zu berauben und zu ermorden. Diese Aussage ist eine Holocaust-Relativierung: Der nationalsozialistische Völkermord an den europäischen Jüdinnen*Juden wird so verharmlost.”Weiterlesen: Holocaust-Relativierungen der Maßnahmenkritiker*innen widersprechen
Du willst dein Gegenüber überzeugen? Wenn sich jemand in einem Online-Streit angesichts von Gegenrede und Kritik als vermeintliche Kampfer*innen für Meinungsfreiheit stilisiert: Suche überraschende Ansätze und setze am Weltbild der*des Anderen an.
„Auch wir finden Meinungsfreiheit wichtig. Sie schließt übrigens auch falsche, abwertende und unüberlegte Aussagen ein. Meinungsfreiheit bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass man seine Meinung unwidersprochen äußern darf. Meinungsfreiheit gilt auch bei Kritik.”
Ziele der Diskussion
Wenn du für eine Organisation kommunizierst, sollte ein entschiedener, aber sachlicher Einsatz gegen Hate Speech euer Grundsatz sein. Ziele in einer Diskussion sind dann: Betroffene in Schutz nehmen, Hassredner*innen Grenzen aufzeigen und Mitlesenden Argumente zugänglich machen. Achte darauf, menschenverachtende Sprache, d.h. gewaltvolle Begriffe oder Vorurteile, nicht zu wiederholen.
Nicht endlos diskutieren
Spätestens nach vier Argumenten ist dein Gegenüber überzeugt – oder eben nicht. Rechtsextreme, antidemokratische und strafbare Aussagen kannst du verbergen, löschen, melden und ggf. anzeigen. Accounts, die mehrfach in eurer Kommentarspalte stören und provozieren, kannst du verwarnen und/oder gegebenenfalls blocken.
Standardantworten sparen Zeit und Nerven
Wenn du von dir entwickelte Antworten an einem zentralen Ort sammelst, entsteht langfristig ein Archiv an Reaktionen, auf das du und dein Team immer zurückgreifen können.
Haltung zeigen
Störstrategien werden häufig mit aktuell diskutierten Themen und unterschiedlichen Formen von Hate Speech verbunden. Gegenargumente und Formulierungsvorschläge findest du in der Übersicht zu allen Argumentationshilfen. Das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen hilft dabei, die richtigen diskriminierungskritischen Begriffe für deinen Moderationsalltag zu finden. Bei Belltower.News findest du aktuelle Informationen zu Gesprächs- und Kommunikationsstrategien.
Civic.net stärkt die digitale Zivilgesellschaft, die konsequent gegen Hass und Abwertung eintritt. Das Projekt ermutigt Organisationen und einzelne Engagierte der Berliner Zivilgesellschaft, in Sozialen Netzwerken sichtbar zu werden und sich dort aktiv an der Debatte zu beteiligen.