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Kommentar

Dark Social

Was ist Social an Dark Social? – Rückzug ins Private

Jede*r benutzt sie in der digitalen Kommunikation – Mails, Chats und Messenger-Dienste. Der Sammelbegriff Dark Social ist jedoch weniger geläufig und hat seinen Ursprung im Marketing.
Der Journalist Alexis Madrigal hatte 2012 über der Frage gebrütet, wie sich eine Vielzahl der Zugriffszahlen auf Artikel erklären ließen, die offenbar nicht über Soziale Medien wie Facebook, Twitter oder der Google-Suche auf die Links gestoßen waren. Es stellte sich heraus, dass Inhalte mehr als dreimal so häufig über Messenger-Dienste und Mails geteilt werden. Madrigal stellte mit dieser Erkenntnis nicht nur eine zu starke Fokussierung auf das Social Web/Web 2.0 infrage, sondern auch die Funktion die ihnen bisher in der jungen Geschichte des Internets zugeschrieben wurde. Allgemeinhin wird der Begriff mittlerweile für nicht-öffentliche Kommunikation verwendet die über geschlossene Server stattfindet.

Seitdem Social Media Plattformen gerade bei jungen Menschen immer mehr an Bedeutung verlieren, erleben Messenger-Dienste einen enormen Zulauf. Der Newsletter feiert ebenfalls ein Revival. Sascha Lobo beobachtet eine Flucht ins Private. In dieser Logik kommt der Filterblase die Bedeutung eines Safe Space zu.

Was ist denn jetzt Dark Social, was Red Pilling? Wo liegt der Unterschied zwischen Hate Speech und Dangerous Speech? Das debate// Glossar bietet eine Übersicht an relevanten Begriffen der digitalen Zivilgesellschaft.
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Was ist Dark an Dark Social? – Hate Speech und Radikalisierung 

Madrigal wählte den Begriff  Dark Social in Anlehnung an dunkle Energie, eine astrophysische Erklärung, warum sich das Weltall ausdehnt. Sprechen wir über Dark Social, schwingen Assoziationen von Verborgenheit und einem düsteren Geheimnis mit. Dabei fällt alltägliche Kommunikation wie das Versenden eines Rezepts via Chatmessenger ebenfalls unter Dark Social. Das Bedürfnis nach geschützter Kommunikation und Privatsphäre ist dabei alles andere als problematisch oder negativ.
Wenn wir also über politische Forderungen und pädagogische Interventionsmöglichkeiten rundum Dark Social sprechen, sollten wir im Hinterkopf behalten, dass Datenschutz durch Forderungen nach Transparenz nicht aufs Spiel gesetzt wird. Auch bei der Streitfrage um verschlüsselte Kommunikation sollte man das im Hinterkopf behalten. Umso wichtiger ist es, wenn wir mit dieser Begrifflichkeit arbeiten, klarzustellen, dass die Gefahren und Probleme welche von Dark Social ausgehen wie auch auf öffentlichen Sozialen Medienplattformen, gesellschaftlichen Ursprungs sind.

“Propaganda ohne Kommentare, Kritik und Widerspruch. Rechtsextreme mögen das.”

Aufgrund seiner Recherchen weiß unser Monitoring-Experte im Bereich Rechtsradikalismus/-terrorismus Miro Dittrich, dass Dark Social sich bei Rechtsradikalen besonderer Beliebtheit erfreut. Zum einen, weil ihre Accounts auf großen Sozialen Medien zuletzt häufiger gesperrt wurden (deplatforming), zum anderen weil die Ansprache durch Gruppenchats unabhängig von Algorithmen stattfindet und alle Gruppenmitglieder direkt erreicht. Je nach Channel-Format kann eine Person eine Gruppe mit (Dis-)Informationen versorgen, diese mobilisieren und einschwören, ohne einen Widerspruch. In einem Gruppenchat in dem alle miteinander kommunizieren können, kann dies die Vernetzung und wechselseitige Radikalisierung fördern. Der Zugang zu diesen Accounts ist meist niedrigschwellig, so werden diese von bekannteren Personen der rechtsradikalen Szene über Soziale Medien beworben. Abgeschottet von der Öffentlichkeit findet eine zusätzliche Enthemmung der Sprache statt und verbotene Inhalte werden gepostet.
Dittrich stellte fest, dass Instant Messaging-Dienste die Wirkungsmacht rechter Falscherzählungen enorm erhöhten. Es entstehe ein Gefühl einer parasozialen Beziehung – Mitglieder solcher Chats glaubten nach einiger Zeit, den Absender wirklich zu kennen, eine Bindung entstehe. Denn wen ich „kenne“, dem glaube ich auch viel mehr, wenn er Inhalte verbreitet, auch wenn diese ideologisch verzerrt oder falsch seien. Durch das Vertrauen würde die Echtheit von Inhalten viel weniger hinterfragt. Weitere Infos
Messenger-Dienste reagierten zuletzt mit Altersbegrenzungen und Einschränkungen der Anzahl von Gruppenmitgliedern oder Beschränkungen von Empfänger*innen von Links und Beiträgen. Dies allein wird jedoch nicht ausreichen, um gegen rechtsradikale Vernetzung und Radikalisierung im Dark Social vorzugehen.

Digitale Zivilgesellschaft im Dark Social

Aber auch in Netzwerken der vorpolitischen Sphäre sind menschenfeindliche Inhalte und Falschnachrichten verbreitet. Hier muss sozialpädagogische Radikalisierungsprävention ansetzen und Konzepte erarbeiten. Damit Radikalisierungsprävention auf Dark Social gelingen kann, muss man sich zuerst über die speziellen Bedingungen der Kommunikation und die Einschränkungen bei der Analyse bewusst werden.
Um Deradikalisierungs-Konzepte zu entwerfen, müssen Filterblasen-Effekte und persönliche Betroffenheit berücksichtigt werden, wenn man bereits erprobte Gegenrede und Debunking Ansätze verfolgt. Denn der Kontext spielt eine große Rolle. Unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten ergeben sich aus Familienchat, Klassenchat oder einer Gruppe, der junge Menschen aufgrund ihrer Hobbies und Interessen beitreten. Im aktuellen debate//-Train the Trainer Manual werden diese kontextuellen Besonderheiten von Hate Speech auf Dark Social aufgegriffen.

Dass Dark Social auch konstruktiv genutzt werden kann, zeigen Nachrichten-Chatbots wie Novi vom NDR und der Messenger-Dienst der Bpb, der fünf Tage die Woche tagesaktuelle politische Bildung in leichter Sprache auf Telegram anbietet. Auch demokratische Politiker*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben Gefallen an dieser Form der Kommunikation gefunden und nutzen die positiven Effekte, den geschützten Raum für strategische Besprechungen, Informationsaustausch und Empowerment.

 

Quellen:

https://www.belltower.news/whatsapp-telegram-dark-social-ist-auch-trend-bei-rechtsextremen-80917/

http://www.bpb.de/gesellschaft/digitales/digitale-desinformation/290531/neue-herausforderung-dark-social

https://www.theatlantic.com/technology/archive/2012/10/dark-social-we-have-the-whole-history-of-the-web-wrong/263523/

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/rueckzug-ins-private-facebook-scheitert-hoechst-erfolgreich-a-1192269.html

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