Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Engagierte Kunstprojekte mit Amadeu Antonio Preis 2017 geehrt

© Add Your Heroine!

Der Amadeu Antonio Preis für Menschenrechte und gegen Rassismus ging 2017 an den Kölner Verein Lückenlos. Der mit 3.000 Euro dotierte Hauptpreis würdigt das Kunstprojekt „Tribunal NSU-Komplex auflösen“.

Sie sind mutig – das verbindet all die Künstler_innen, deren Werke für den Amadeu Antonio Preis nominiert wurden. Mit ihrer Kunst bekennen sie sich zu Demokratie und Menschenrechten. Thematisieren gesellschaftliche Schieflagen. Sprechen Schmerzhaftes an, Beschämendes, Unbequemes. Und sind damit ein wichtiger Bestanteil einer couragierten Zivilgesellschaft. „In Zeiten, da öffentliche rassistische Parolen wieder traurige Realität werden, brauchen wir engagierte Künstler, die daran erinnern, wie gefährlich es für uns alle ist, wenn Rechtsextremismus kleingeredet und Opfer zu Tätern gemacht werden“, betont Anetta Kahane, Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung.

Genau darum geht es dem Verein Lückenlos e.V. aus Köln. Betroffene rassistischer Gewalt, Künstler_innen und Aktivist_innen klagen in einem nachgestellten Tribunal fünf Tage lang stellvertretend 90 Personen an, die aus ihrer Sicht für das unbeachtete Morden des NSU-Komplex und den strukturellen Rassismus, der die Täter-Opfer-Umkehr überhaupt erst ermöglichte, verantwortlich gemacht werden. Das Tribunal schafft damit einen Raum, in dem zuallererst das Wort der Betroffenen gilt – ganz im Gegensatz zum tatsächlichen Prozess, der ihre Perspektive marginalisiert und ihre Stigmatisierung durch Medien und Polizei außer Acht lässt. „Das Tribunal war ein Meilenstein in der Art und Weise, wie wir als politische Menschen Kunst als Mittel nutzen können, um aufzuklären“ lobt Laudator und Jury-Mitglied Van Bo Le-Mentzel. Tim Klodzko, Sprecher des Aktionsbündnis ‚NSU-Komplex auflösen‘ betont, dass dieser Preis eigentlich den Betroffenen gebührt. Sie haben im Tribunal allen Mut zusammen genommen, um das Schweigen zu durchbrechen – trotz der Erfahrung, dass alles, was sie sagten, gegen sie verwendet wurde.

„Ich hätte jemanden als illusionär betrachtet, der mir gesagt hätte, dass wir heute einen solchen Preis ausschreiben“ gesteht Friedhelm Boginski, Bürgermeister der Stadt Eberswalde. Im Jahr 1990 wurde der angolanische Vertragsarbeiter Amadeu Antonio in Eberswalde von rechten Schlägern ins Koma geprügelt und erlag zwei Wochen später seinen Verletzungen. Heute ist in der Stadt klar: so etwas darf nicht wieder passieren. Das Klima hat sich verändert, Entscheidungsträger_innen und Zivilgesellschaft stehen öffentlich gegen Rassismus ein – und setzen sich aktiv mit dem Erbe der Stadt auseinander. Mit dem nach Amadeu Antonio benannten Kunstpreis würdigen die Stadt Eberswalde und die Amadeu Antonio Stiftung kreatives Engagement für Menschenrechte und gegen Rassismus und Diskriminierung.

Neben dem Hauptpreis wurden zwei weitere herausragende Werke geehrt: Raman Zaya’s „träumen auf deutsch ohne untertitel“ schafft einen Raum, den Autor in sein Leben in Teheran im inneren Exil zu begleiten, das nach der Flucht nach Deutschland zum äußeren Exil wird. Die autobiografische Erzählung spricht von der inneren Zerrissenheit des Ankommenden, der Schwierigkeit, sich selbst trotz aller Widersprüche und Brüche zusammenzuhalten, der Suche einer Heimat in der neuen Heimat.

„Add your Heroine!“ begann mit einem Comic, in dem Evelyn Rack ihre Heldinnen vorstellt, die sie zu der gemacht haben, die sie heute ist. Das Anliegen: Ihre Heldinnen sichtbar zu machen, denn mangelnde Diversität und Sexismus sind in der Filmlandschaft omnipräsent, und Heldinnen unterrepräsentiert. Weil schnell klar wurde, dass das Interesse groß und der Heldinnen viele sind, konzipierte Evelyn Rack zusammen mit Billie Mind eine Ausstellung, in der 12 Porträts der Heldinnen die Besucher_innen einladen, sie kennenzulernen, und Rack erzählt, welche Geschichte sie mit den Heldinnen verbindet. Rack ruft die Besucher_innen auf, ihre eigenen Heldinnen auf der Website des Projekts hinzuzufügen. So werden mehr und mehr Heldinnen entdeckt.

 

Außerdem waren folgende Kunstprojekte nominiert:

 

In der Jury des Amadeu Antonio Preises 2017 wirkten mit:

  • Güner Yasemin Balcı, Schriftstellerin, Journalistin und Fernsehredakteurin
  • Fabian Bechtle, Bildender Künstler
  • Friedhelm Boginski, Bürgermeister der Stadt Eberswalde
  • Cerstin Gerecht, Referatsleiterin Darstellende Kunst und Musik im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg
  • Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung
  • Moctar Kamara, Vorsitzender des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland
  • Van Bo Le-Mentzel, Architekt, Autor, Dozent und Mitglied von DeutschPlus e.V.
  • Augusto Jone Munjunga, Vorsitzender des Afrikanischen Kulturvereins Palanca, Eberswalde
  • Pham Thi Hoai, Schriftstellerin und Übersetzerin
  • Marianne Rosenberg, Sängerin und Entertainerin
  • Ida Schildhauer, Galeristin und Beraterin für kulturelle Jugendbildung
  • Friederike Sittler, Abteilungsleiterin Gesellschaft Religion Osteuropa des Rundfunk Berlin-Brandenburg

Der Amadeu Antonio Preis wird alle zwei Jahre verliehen. Der Hauptpreis ist mit 3.000 €, die beiden weiteren Preise sind mit jeweils 1.000€ dotiert.

Weiterlesen

505388207-1280x720
Kommentar

Strategie: Warum die Demokratie ein Projekt2029 braucht

Die Erfolge von Donald Trump und der AfD erfordern eine strategische, resiliente und breite Antwort der demokratischen Zivilgesellschaft. Ein „Projekt 2029“ kann Vision, Plattform und Koordination dafür liefern – als Gegenentwurf zum „Project 2025“ der Heritage Foundation – ein Plädoyer von unserem Vorstand Timo Reinfrank.

markus-spiske-Cf5kL7vcF6U-unsplash

551 Fragen zu NGOs: Eine Antwort wie ein Faktencheck

Mit ihrer Bundestagsanfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ hat die Unionsfraktion eine Misstrauenskampagne gegen die demokratische Zivilgesellschaft lanciert. 551 Fragen zu 14 NGOs zielten darauf ab, deren Gemeinnützigkeit infrage zu stellen. Die Bundesregierung hat geantwortet – und klargestellt: Zivilgesellschaftliches Engagement ist rechtlich abgesichert und demokratiepolitisch erwünscht!

2019-06-01-Chemnitz-TddZ-2-370-Kopie

Perspektive Ost: Utopien mit Leben füllen

Perspektive Ost zeigt solidarische Perspektiven für Ostdeutschland. „Es spielt keine Rolle, ob Engagement im Kleinen oder im Großen stattfindet. Was zählt, ist die Haltung: der Mut, Verantwortung zu übernehmen und aktiv mitzugestalten.“

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.