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Reportage

“Für ein solidarisches Neukölln ohne Nazis und Rassisten”

Copyright: Bündnis Offenes Neukölln

Nach einer zweijährigen Pause fand am 21. und 22. September 2024 wieder das Festival Offenes Neukölln statt. Motiviert durch die Massendemonstrationen in Reaktion auf die CORRECTIV-Recherchen zum rechtsextremen “Remigrations”-Treffen und alarmiert durch die Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg organisierte das Berliner Bündnis Neukölln das zweitägige Festival, um seinen eigenen Beitrag zum Kampf gegen den Rechtsextremismus zu leisten. Denn auch in dem Berliner Bezirk ist Rechtsextremismus und rechter Terror eine ganz konkrete Bedrohung. Die Amadeu Antonio Stiftung hat das Festival mit einer Projektförderung finanziell unterstützt. 

Von Luisa Gehring

Von einem Puppentheater, über Lesungen, Bastelkurse und Live-Musik bis hin zu Vorträgen und Workshops – beim Festival Offenes Neukölln war sicherlich für jede*n etwas dabei. Zum ersten Mal fand das Festival dieses Jahr zentral und dezentral statt. Am Samstag traf man sich in der Stadtvilla Global in der Neuköllner Gropiusstadt und am Sonntag wurden in ganz Neukölln verteilt Veranstaltungen angeboten.

Rechtsextreme Terrorserie in Neukölln 

Rechter Terror stellt für Menschen, die sich in Neukölln gegen Rechtsextremismus engagieren, kein neues Phänomen dar. Noch bis November 2024 tagt der vom Berliner Abgeordnetenhaus eingerichtete “Untersuchungsausschuss zur rechtsextremistischen Straftatenserie im Bezirk Neukölln in den Jahren 2009 bis 2021″. Immer wieder wurden und werden im Bezirk Stolpersteine gestohlen, Scheiben eingeworfen, Briefkästen gesprengt oder Autos, Läden, Cafés und Häuser angezündet. Verantwortlich für die mehr als 70 Straftaten ist die Neuköllner Neonaziszene. Der Untersuchungsausschuss hat bereits große Versäumnisse von Seite der Polizei, des Verfassungsschutzes und der Staatsanwaltschaft aufgedeckt.

Von der Politik allein gelassen

Das Bündnis Neukölln hat sich in Reaktion auf diesen rechten Terror gegründet. Es vereint unterschiedlichste zivilgesellschaftliche Initiativen, kirchliche und parteinahe Organisationen aus Neukölln. Ziel des Bündnisses ist es, dem Erstarken des Rechtsextremismus, von dem viele Engagierte ganz konkret bedroht werden, geschlossen zu begegnen. Dafür organisieren die Engagierten Demonstrationen und Veranstaltungen wie das Festival Offenes Neukölln, um eine Gegenöffentlichkeit aufzubauen, rechtsextreme Aktivitäten im Bezirk zu beobachten und zu dokumentieren.

“Die Arbeit des Bündnisses ist in den letzten Jahren schwieriger geworden”, erzählen die Veranstalter*innen. Die rechte Diskusverschiebung, aber auch mangelnde Unterstützung durch das Bezirksamt Neukölln erschweren die Aktivitäten des Bündnisses. “Regelmäßig unterschätzt das Bezirksamt die Gefahr, die von Rechtsextremen ausgeht. Eine Infoveranstaltung über den Bau eines neuen Geflüchtetenheims in Neukölln eine Woche vor dem Festival wurde massiv von bekannten Rechtsextremen und der AfD gestört. Das Bezirksamt reagierte überfordert, das Sicherheitskonzept wirkte undurchdacht.” Das Bündnis Neukölln versuchte gegen den im Vorfeld angekündigten Gegenprotest zu mobilisieren.

Ein Festival gegen Hass und Hetze

Auch auf dem Festival ist das Bündnis Neukölln auf rechtsextreme Störer*innen vorbereitet. Am Samstag sind auf dem Vorplatz der Stadtvilla zwischen Kuchenstand, Bühne und Infoständen auch einige Menschen in Warnwesten zu sehen, die das Geschehen im Blick haben. Davon lassen sich die vielen Neuköllner*innen, die bereits zum ersten Festivaltag gekommen sind, nicht beirren. Es gibt einen Markt der Möglichkeiten, auf dem man sich über die Arbeit von Terre des Hommes, dem Stadtteilzentrum Buckow, der Bürgerinitiative DW und Co. Enteignen und dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten informieren kann. Für die Jüngeren wird ein Puppentheater über die jüdische Kultur angeboten, während sich die Älteren in einem Workshop über neue rechte Codes weiterbilden können. Es folgt eine Podiumsdiskussion über rechte Gewalt in Neukölln unter anderem mit dem Neuköllner Linken-Politiker Ferat Koçak, der selbst von der rechtsextremen Anschlagsserie im Bezirk betroffen war und noch am Tag vor dem Festival im Untersuchungsausschuss aussagte. Der erste Festivaltag endet mit Live-Konzerten von Freidenkeralarm, Gianni und dem Secret Act Finna.

Am nächsten Tag geht es dezentral in ganz Neukölln weiter: Lesungen, gemeinsames Malen, Singen und Musizieren, Workshops, Stadtführungen durch Neukölln, Vorträge und Nachbarschaftsgrillen – das Veranstaltungsangebot ist so offen und vielfältig wie der Bezirk selbst. Allen Menschen, die dieser Offenheit und Vielfalt mit Hass und Gewalt begegnen, dürfte das Festival ein Dorn im Auge sein. Denn das Bündnis Neukölln hat mal wieder gezeigt: Gegen Rechtsextreme einzustehen heißt auch, ihnen mit einer besseren Vorstellung vom guten Leben entgegenzutreten.

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