Widersprich Aussagen, die rassistisch sind

Widersprich Aussagen, die rassistisch sind
Das Praxishandbuch Social Justice und Diversity definiert Rassismus als eine gesellschaftliche Praxis, in der Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder ihnen zugeschriebenen körperlichen und/oder kulturellen Merkmale (z.B. Hautfarbe, Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, Migrations- oder Fluchterfahrung, Kultur, Religion, Sprache) als soziale Gruppe und als die Anderen (Othering) konstruiert, negativ bewertet und strukturell diskriminiert werden. Dabei geht die Abwertung, Entmenschlichung und Unterdrückung der Anderen immer mit der Aufwertung der eigenen Gruppe einher, die sich dadurch Macht und Privilegien sichert.
Die rechtsterroristischen Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds und in Hanau sind die gewalttätigste Ausprägung rassistischen Denkens. Aber Rassismus fängt nicht erst bei Gewalt an, er findet in Herabsetzungen, Beleidigungen, Beschimpfungen und Ungleichbehandlung seinen Ausdruck. Er ist in der deutschen Gesellschaft institutionell verankert. Bei der Wohnungs- und Ausbildungsplatzsuche, durch Institutionen wie Polizei und Justiz und im Schulsystem erfahren People of Color und Schwarze Menschen Benachteiligungen und menschenunwürdige Behandlungen.
Rassismus ist ein über Jahrhunderte gewachsenes System von Ungleichheit und verändert immer wieder seine Form. Die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, dem transatlantischen Sklavenhandel und den Verbrechen des Nationalsozialismus hat dazu geführt, dass heute in der öffentlichen Diskussion eher auf „kulturelle Unterschiede” verwiesen wird, wenn Betroffene als nicht-zugehörig markiert und Ungleichbehandlungen gerechtfertigt werden sollen. Das ließ sich beispielsweise bei der rassistischen „Vornamen-Debatte” zur Silvesternacht 2023 beobachten, in der Berliner Politiker*innen nach den Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit fragten und sie damit zeigen, dass es für sie „echte” und „nicht-echte” Deutsche gibt.
Weiterführende Informationen zum Thema Rassismus findest du hier:
- Amadeu Antonio Stiftung
- Belltower.News
- Mediendienst Integration
- Exit racism von Tupoka Ogette
- Rosa Fava: Rassismus. In: verdi Jugend Solidarity Reader
Rassismus hat unterschiedliche Erscheinungsformen. Das heißt: die Zuschreibungen, Feindbilder, Beschimpfungen usw. sind historisch gewachsen und unterscheiden sich je nach Gruppe. Damit du leichter passende Gegenargumente findest, werden hier einige davon vorgestellt.
Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit
Wenn „der Islam” per se als patriarchal gelabelt oder Muslim*innen für jeden Antisemitismus in Deutschland verantwortlich gemacht werden, dann sind Parolen und Ressentiment am Werk statt Erkenntnisgewinn. Dem gilt es sachlich zu widersprechen.
„Die Darstellung ‚des Islam‘ und ‚der Muslime‘ in ihrer Gesamtheit als ‚fremd‘ oder sogar feindlich und aggressiv gegenüber der Demokratie ist nicht nur falsch, sondern schürt auch bewusst Ängste vor einer Veränderung des Status quo, vor einem angeblichen Angriff auf eine deutsche Identität oder deutsche Kultur und vor einem Verlust von Freiheitsrechten.”
Oder Argumente an der Lebenserfahrung des Gegenübers anbinden:
„Sind alle Deutschen / alle Christ*innen / alle Menschen aus der Stadt XY / alle Ingenieur*innen gleich? Fühlst Du Dich gut beschrieben, wenn Menschen sagen: Alle Menschen wie Du sind so oder so? Nein? Weil die Menschen immer verschieden sind? Dann mach das doch bei Muslim*innen auch nicht.”
Keine Sorge, du musst das Rad nicht neu erfinden. Zu vielen Themen gibt es tolle Formulierungshilfen, die deine Gegenrede erleichtern.
Belltower.news: Hallo besorgte Bürger und Bürgerinnen. Sie werden gar nicht islamisiert
Bundeszentrale für politische Bildung: Muslimfeindlichkeit begegnen
Bundeszentrale für politische Bildung: „Was sage ich, wenn…? Islamfeindlichkeit begegnen”
Anti-Schwarzer Rassismus
Wenn in der Kommentarspalte Afrika als „armer Kontinent” beschrieben oder einer Schwarzen Person ihr Deutschsein abgesprochen wird, dann solltest du sachlich widersprechen. Bediene dich dabei rassismuskritischer Sprache und Selbstbezeichnungen, die im Widerstand zu Rassismus entstanden sind.
„Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe abzuwerten, ist rassistisch. Aus einer Hautfarbe darauf zu schließen, der Mensch sei ‚fremd‘, ist genauso rassistisch. Schwarze Menschen leben seit hunderten von Jahren hier. Sie sind genauso Teil der Gesellschaft wie weiße Menschen. Und selbst wenn jemand erst gestern seine Staatsbürgerschaft bekommen hat, ist das kein Grund, seine*ihre Bürgerrechte infrage zu stellen, geschweige denn, jemanden rassistisch zu diskriminieren. Das gilt auch völlig unabhängig von jeder Staatsbürgerschaft.
Oder:
„Dieses Bild von Afrika ist von kolonialistischen Vorurteilen und Stereotypen geprägt. Ja, in einigen Regionen herrscht große Armut. Aber der afrikanische Kontinent hat 55 Staaten, die alle sehr unterschiedlich sind. Viele Probleme in afrikanischen Ländern lassen sich auf die Kolonisierung und auf ungleiche Beziehungen im Welthandel zurückführen.”
Keine Sorge, du musst das Rad nicht neu erfinden. Zu vielen Themen gibt es tolle Formulierungshilfen, die deine Gegenrede erleichtern.
Amadeu Antonio Stiftung: Was ist Anti-Schwarzer Rassismus?
ZDFheute: Der alltägliche Rassismus in Deutschland
Each One Teach One: Video-Glossar, Afrozensus
Anti-asiatischer Rassismus
Mit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie wurden asiatisch gelesene Menschen auf der Straße und in den Kommentarspalten als vermeintliche Virusträger*innen rassistisch stigmatisiert und damit als „Gefahr” gekennzeichnet. Wenn du solche Kommentare liest, widersprich entschieden und solidarisiere dich mit den Betroffenen.
„Das Bild des ‚Fremden‘ als Verursacher oder Verbreiter von Krankheiten ist ein alter rassistischer Hut – und schlichtweg falsch. Die rassistische Zuschreibung, alle asiatisch aussehenden Menschen würden Corona übertragen, war nicht nur gefährlich in Bezug auf die falsche Sicherheit, nicht betroffen zu sein, solange man den Kontakt zu ‚asistischen Menschen‘ meidet. Sie schürt und verfestigt vor allem Anti-asiatischen Rassismus in unserer Gesellschaft."
Keine Sorge, du musst das Rad nicht neu erfinden. Zu vielen Themen gibt es tolle Formulierungshilfen, die deine Gegenrede erleichtern.
Amadeu Antonio Stiftung: Was ist Anti-Asiatischer Rassismus?
Gunda-Werner-Institut: Antiasiatischer Rassismus – erst seit der Corona-Pandemie?
Bundeszentrale für politische Bildung: Antiasiatischer Rassismus in Deutschland | (Anti-)Rassismus
Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze
Wenn in Medien oder Nachrichten Rom*nja und Sinti*zze gezeigt werden, dann oft mit Stereotypen, die sagen: „anders” als „wir”. Viele Beschreibungen sind herabsetzend und verächtlich. Zudem ist das rassistische Z*-Wort heute noch weit verbreitet und viel zu wenig problematisiert. Wenn du solche Kommentare liest, widersprich entschieden und solidarisiere dich mit den Betroffenen.
„Was du hier beschreibst ist ein Klischee – Rom*nja und Sinti*zze müssen mit diesen jahrhundertealten Vorurteilen und Zuschreibungen leben, die bis heute in Politik, Medien, am Stammtisch und in Kommentarspalten über sie verbreitet werden. Gerade dieses ständige Wiederholen von Stereotypen verfestigt ein negatives Bild. Wozu das führt? Hier in Berlin werden Sinti*zze und Rom*nja rassistisch in der Öffentlichkeit beleidigt, erfahren Diskriminierung in der Schule und haben Schwierigkeiten, eine Wohnung zu bekommen.”
Keine Sorge, du musst das Rad nicht neu erfinden. Zu vielen Themen gibt es tolle Formulierungshilfen, die deine Gegenrede erleichtern.
Bundeszentrale für politische Bildung: Antiziganismus begegnen
Belltower.news: Die Klischees sind schlicht falsch
Mediendienst Integration: Sinti und Roma
Rassismus gegenüber geflüchteten Menschen
Rassismus gegenüber geflüchteten Menschen ist ein Dauerbrenner in Kommentarspalten. Metaphern wie „Strom”, „Welle” oder „Flut” entindividualisieren notleidende Menschen und erklären sie zur Gefahr. Die rassistische Behauptung, geflüchtete Menschen würden die Sozialsysteme Deutschlands ausnutzen, macht sie zur unerwünschten Belastung. Begrenze deshalb rassistische Aussagen und Desinformation, ehe sie sich zu Gewaltfantasien hochschaukeln.
„Niemand setzt sich leichtfertig nachts in ein marodes Boot, wissend, dass auf offener See der Tod droht. Niemand setzt alles aufs Spiel, lässt alles los – die Heimat, Besitz, Freund*innen, Verwandte, vielleicht sogar Kinder –, nur in der Hoffnung auf den Bezug von Sozialleistungen. Wer Asyl sucht, kämpft oft ums Überleben, weil im Herkunftsland Krieg herrscht, Verfolgung droht, Diskriminierung an der Tagesordnung oder die eigene Existenz in Gefahr ist.”
Keine Sorge, du musst das Rad nicht neu erfinden. Zu vielen Themen gibt es tolle Formulierungshilfen, die deine Gegenrede erleichtern.
Pro Asyl: Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile.
Antislawismus
Antislawismus beschreibt die Abwertung von Menschen aus Osteuropa, die vermeintlich oder selbstgewählt zur sozial-konstruierten Gruppe der Slaw*innen gehören. Witze über gestohlene Autos in Polen, Klischees wie Alkoholismus, Jogginghosen und toxische Maskulinität, die Ablehnung jugoslawischer Gastarbeiter*innen, postsowjetischer Spätaussiedler*innen und ukrainischer Geflüchteter sind Beispiele für Antislawismus und Dauerbrenner in den Sozialen Medien. Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kommen in Deutschland viele flüchtende Menschen an. Flüchtlingsfeindliche und rassistische Kommentare in den Sozialen Netzwerken enthalten nun auch wieder vermehrt antislawische Aussagen.
Wenn dir solche Aussagen begegnen, widersprich ihnen und zeige deiner Community, dass rassistische Kommentare nicht toleriert werden.
„Vorurteile wie Kriminalität oder Rückständigkeit sind alles andere als witzig oder ein harmloses Stereotyp. Solche Zuschreibungen dienten bereits historisch für Kolonialisierungspläne und den Angriffskrieg Nazideutschlands gegen die östlichen Nachbarländer.”
Keine Sorge, du musst das Rad nicht neu erfinden. Zu vielen Themen gibt es tolle Formulierungshilfen, die deine Gegenrede erleichtern.
Faktencheck: Wie falsche Narrative über ukrainische Flüchtlinge verbreitet werden
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft: Antislawismus – Zwischen Popkultur und Diskriminierungsrealitäten
Bundeszentrale für politische Bildung: Geschichte und Gegenwart des antiosteuropäischen Rassismus und Antislawismus
Ziele der Diskussion
Wenn du für eine Organisation kommunizierst, sollte ein entschiedener, aber sachlicher Einsatz gegen Hate Speech euer Grundsatz sein. Ziele in einer Diskussion sind dann: Betroffene in Schutz nehmen, Hassredner*innen Grenzen aufzeigen und Mitlesenden Argumente zugänglich machen. Achte darauf, menschenverachtende Sprache, d.h. gewaltvolle Begriffe oder Vorurteile, nicht zu wiederholen.
Nicht endlos diskutieren
Spätestens nach vier Argumenten ist dein Gegenüber überzeugt – oder eben nicht. Rechtsextreme, antidemokratische und strafbare Aussagen kannst du verbergen, löschen, melden und ggf. anzeigen. Accounts, die mehrfach in eurer Kommentarspalte stören und provozieren, kannst du verwarnen und/oder gegebenenfalls blocken.
Standardantworten sparen Zeit und Nerven
Wenn du von dir entwickelte Antworten an einem zentralen Ort sammelst, entsteht langfristig ein Archiv an Reaktionen, auf das du und dein Team immer zurückgreifen können.
Nutze Formulierungshilfen
Wenn du unterschiedlichen Aspekten einer problematischen Aussage widersprechen willst, dann findest du Vorschläge in der Übersicht zu allen Argumentationshilfen. Das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen hilft dabei, die richtigen diskriminierungskritischen Begriffe für deinen Moderationsalltag zu finden.
Civic.net stärkt die digitale Zivilgesellschaft, die konsequent gegen Hass und Abwertung eintritt. Das Projekt ermutigt Organisationen und einzelne Engagierte der Berliner Zivilgesellschaft, in Sozialen Netzwerken sichtbar zu werden und sich dort aktiv an der Debatte zu beteiligen.